
Entschleunigung, Achtsamkeit, mehr Bewusstsein für die Umwelt mit all ihren zahlreichen Facetten. Immer mehr Menschen interessieren sich für Konzepte abseits der hektischen Betriebsamkeit der Großstädte und dem durchgetakteten Arbeitsleben. Und auch wenn vieles nicht im Lebensalltag konsequent umgesetzt werden kann – die Nachfrage nach sinngebenden, einfachen Dingen und Prozessen steigt und ist vielfach eine Kraftquelle in Freizeit und Urlaub. Ein Konzept, bei dem viel Wert auf den natürlichen Ablauf der Arbeits- und Herstellungsprozesse gelegt wird, ist die Slow Food-Bewegung.
Seit rund dreißig Jahren setzen sich die Anhänger dieser Bewegung für gutes Essen und ein gemäßigtes Lebenstempo ein. Dabei fühlt sich Slow Food nicht ausschließlich dem Thema Lebensmittel verspflichtet, sondern hat auch zum Ziel, kulturelle und traditionelle Werte zu bewahren und die spezifischen Eigenheiten jeder Region zu fördern und zu erhalten.
Die Slow-Bewegung breitet sich aus
Ende der neunziger Jahren formierte eine neue Bewegung, die durch die Slow Food-Prinzipien inspiriert wurde: die Cittàslow (cittaslow), die entschleunigte Stadt. Bis 2003 wurde auch der Begriff der Slow City offiziell verwendet, der teilweise noch immer gebräuchlich ist.
Die Vision der Cittàslow ist das Gegenkonzept zu den zunehmend vereinheitlichten Großstadtzentren. Die Cittàslow soll demnach ein Raum für Menschen sein, die mit Zeit und Muse einander begegnen. Entsprechend soll die Stadt über Plätze mit hoher Aufenthaltsqualität, kulturelle Einrichtungen, Lokale, Geschäfte und Handwerksbetriebe verfügen, die dem lokalen Charakter des Ortes entsprechen. Langsamkeit soll in diesem Zusammenhang als Zeit für die natürlichen Abläufe, wie auch für den Wechsel der Jahreszeiten verstanden werden. Zusammengenommen stehen diese Faktoren für eine hohe Lebensqualität.
Wie bereits die Slow Food-Bewegung, entstand die Idee der Cittàslow in Italien. Hauptziel ist es dabei, den Slow Food-Gedanken auch auf andere Lebensbereiche zu übertragen und damit generell die Lebensqualität zu verbessern.

Um dieser Philosophie einen Raum zu geben, gründeten 1999 die vier italienischen Städte Bra (Piemont), Greve (Chianti), Positano (Kampanien) und Orvieto (Umbiren) das Netzwerk „Slow City“. Initiator war dabei der Bürgermeister von Greve in Chianti, Paolo Saturnini. Ihm gelang es, weitere Bürgermeister für das Projekt zu begeistern. Gemeinsam wollten die Kommunen der herrschenden Maxime der Schnelllebigkeit ein moderates Lebenstempo entgegenzusetzen, das den Kreisläufen der Landwirtschaft und des Weinanbaus entspricht und sich positiv auf Mensch, Natur und Umwelt auswirkt.
Bereits ein Jahr später verfügte die Bewegung über 30 Mitgliedstädte in Italien. Vernetzt und koordiniert werden die teilnehmenden Kommunen vom Hauptsitz der Cittàslow-Bewegung. Dieser befindet sich in einer ehemaligen Klosteranlage in Orvieto aus dem 15. Jahrhundert.
Vielfalt und Identität der Städte stärken
So, wie die Slow Food-Bewegung handwerklich erzeugte und ökologische Lebensmittel aus der Region fördern will und standardisierte Fastfood-Produkte ablehnt, wollen die Einwohner einer Cittàslow der Vereinheitlichung der Städte entgegenwirken und die Besonderheit des Ortes unterstreichen.

Die spezielle Identität der Städte zu stärken ist ein Anliegen, das auf ein breites Interesse stößt. Denn durch die Verbreitung internationaler Ladenketten und Franchise-Unternehmen hat sich in den letzten Jahren das Gesicht der Innenstädte weltweit stark vereinheitlicht. Waren Fußgängerzonen und Ladengalerien in den siebziger Jahren noch mit durch ein vielfältiges und lokales Angebot geprägt, hat sich spätestens ab der Jahrtausendwende eine rasante Amerikanisierung in den europäischen Zentren vollzogen, die sich in der Folge auch auf die Klein- und Mittelstädte ausbreitete. Zugespitzt beschreibt der Autor Marc-Uwe Kling in seinem Gedicht „Kettenkarussell“ diese Entwicklung. Dabei ist es einem Reisenden nahezu unmöglich zu erkennen, in welcher Stadt er sich gerade befindet, denn die Innenstädte sehen mit den immer gleichen Filialen der führenden Ladenketten völlig identisch aus.
Kleinere regionale Einzelhändler, Manufakturen, Lokale und Handwerker haben immer seltener die Möglichkeit, sich in den sogenannten 1A-Lagen der Städte zu behaupten. In der Folge verlieren Städte zunehmend ihre unverwechselbare Eigenheit und sind damit beliebig austauschbar. Ein Problem mit weitreichenden Folgen, denn ohne eine persönliche Bindung an die eigene Stadt, haben die Einwohner kaum Gründe, sich für ihre Heimat einzusetzen.
Dieser Entwicklung will die Cittàslow-Bewegung mit positiven Beispielen und Konzepten entgegenwirken. So sollen die einzigartigen und speziellen Werte der einzelnen Städte wieder stärker in den Mittelpunkt des Interesses gerückt werden – und zwar für Einwohner und Besucher gleichermaßen. Ein weiteres Ziel ist es, Städte dabei zu unterstützen, ihre kulturelle Vielfalt zu erhalten und zu betonen.
Cittàslow-Bewegung in Deutschland
Motiviert durch den guten Start in Italien, beschlossen die Initiatoren, die Idee international auszuweiten. Aktuell gibt es 233 Cittáslows in 30 Ländern rund um den Globus, die in 20 Netzwerken organisiert sind. In Deutschland fanden die Ideen der Slow-Bewegung schnell Freunde. Bereits 2001 wurde Hersbruck in Mittelfranken als erste deutsche Stadt und als erste Stadt außerhalb Italiens in der Cittàslow-Bewegung aufgenommen. Kurz darauf folgten Waldkirch im Breisgau und Überlingen am Bodensee. Derzeit gibt es 17 deutsche Cittàslow-Städte, deren Geschäftsstelle im pfälzischen Deidesheim liegt.

Die Cittàslow-Vereinigung sieht sich in erster Linie als Bewegung, die aus vielen Klein- und Mittelstädten besteht. Daher ist eine Mitgliedschaft nur für Städte und Gemeinden unter 50.000 Einwohnern möglich. Darüber hinaus müssen die Städte vielfältige Kriterien erfüllen, um sich für eine Mitgliedschaft zu qualifizieren. Die Kriterien sind in einem umfangreichen Katalog festgelegt, aber auch hier werden spezifische Besonderheiten berücksichtigt. Da nicht für jede Stadt nach den gleichen Kriterien gemessen werden kann gilt es, mindestens die Hälfte der Anforderungen zu erfüllen. Diese prüft die jeweilige Stadt in einem Selbstbewertungsprozess und erarbeitet ein individuelles Konzept für ihre Cittàslow mit dem sie sich beim nationalen Netzwerk um eine Aufnahme bewirbt. Nach einer positiven Prüfung durch die zuständige Kommission, erhält die Stadt das Zertifikat „Cittàslow“, nach vier Jahren findet eine erneute Zertifizierung statt.
Seit 2005 besteht für Unternehmen und Institutionen, aber auch für Städte, die sich nicht selbst qualifizieren können, die Möglichkeit, den Cittàslow-Gedanken als Unterstützer zu fördern.
Besonderes Markenzeichen: Einzigartigkeit
Das Besondere Merkmal einer Cittàslow ist ihre Einzigartigkeit. Darüber hinaus sthet die Stadt für eine besondere Lebensqualität. Fortschritt ist wichtig, stellt jedoch den Menschen in den Mittelpunkt des Handelns. Die besondere Bedeutung regionaler Erzeugnisse und kurze Versorgungswege sind wichtige Punkte, die auch durch die besondere Beziehung zwischen Stadt und Land gefördert werden soll. Genauso bedeutsam ist aber auch das soziale Miteinander und die Förderung des Zusammenhaltes innerhalb der Gemeinschaft. Damit sieht sich die Cittàslow auch als wirksames Projekt gegen alte und neue Armutsstrukturen und fühlt sich dem umfassenden Nachhaltigkeitsgedanken und der Generationengerechtigkeit verpflichtet.
Um den anspruchsvollen Erwartungen an eine Cittàslow gerecht zu werden, erarbeiten die teilnehmenden Städte Maßnahmen aus sieben Themenbereichen und tauschen sich regelmäßig mit anderen Gemeinden im Netzwerk aus. Auf der Agenda der Cittàslow ist das Themenfeld Energie- und Umweltpolitik weit oben angesiedelt. Dazu zählen die Sicherung der Luft-, Boden- und Wasserqualität genauso, wie der Erhalt der biologischen Vielfalt und die öffentliche Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen. Aber auch Maßnahmen zu Energieeffizienz im öffentlichen und im privaten Bereich gehören dazu. Ebenfalls wichtige Teilbereiche sind hier die klassischen Umweltthemen Abfallvermeidung und –verwertung, aber auch neuere Themenfelder, wie etwa die visuelle Umweltverschmutzung.
Ein weiterer wichtiger Punkt für eine lebenswerte Stadt ist die Infrastrukturpolitik. Hier wird besonders die Förderung umweltfreundlicher Verkehrsmittel positiv bewertet, aber auch die vielfältigen Maßnahmen für eine barrierefreie Stadt, die allen Bewohnern eine gute Erreichbarkeit der unterschiedlichsten Einrichtungen ermöglicht. Ebenso von Belang sind aber auch Faktoren, die die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit fördern.
Die Cittàslow versteht sich nicht als Museumsdorf, sondern als moderne Kommune. Daher sind Maßnahmen zur Verbesserung der urbanen Qualität wichtige Kriterien, die alle Mitglieder erfüllen müssen. Darunter fallen zum einen der Erhalt historischer und kulturell bedeutender Bauwerke zur Aufwertung des Stadtkerns, aber auch Förderung eines nachhaltige Nutzung der Randgebiete und die Schaffung von neuem Wohnraum. Ebenso soll eine Cittàslow auch eine zeitgemäße Datenschnelligkeit gewährleisten und im öffentlichen Bereich interaktive Dienste anbieten.

Die Wurzeln der Slow Food-Bewegung werden vor allem im Anforderungskatalog im Bereich Landwirtschaft, Tourismus und Handwerk deutlich. Eines der Hauptziele ist dabei die Aufwertung traditioneller Berufe und Arbeitstechniken und damit verbunden der Erhalt und die Vermarktung der einheimischen Erzeugnisse. Um diese Ziele zu erreichen, sind hier neben der regionalen Vermarktung auch die Bewahrung durch kulturelle Einrichtungen und Brauchtümer vorgesehen, die auch für Besucher von Interesse sind. Neben diesen beschaulich wirkenden Kriterien, fallen aber auch die relevanten Themen des ökologischen Ackerbaus und des Verbotes von gentechnisch veränderten Organismen in dieses Feld.
Dass von einer Cittáslow-Zertifizierung Einwohner und Besucher gleichermaßen profitieren, zeigen die Bestrebungen im Politikfeld Gastfreundschaft, Bewusstsein und Bildung. Hierzu zählen zum einen eine einladende, vielfältige und interessante touristische Infrastruktur, wie beispielsweise übersichtliche Orientierungshilfen und spezielle Slow-Führungen. Es geht aber auch um das Bewusstsein und die Motivation aller Einwohner, das Projekt lebendig zu gestalten. Um das zu erreichen, ist auch die Verwaltung gefordert, regelmäßig über Projekte zu informieren und die aktive Beteiligung der Bevölkerung, sowie der Vereine zu fördern und zu integrieren.
Eine Cittàslow lebt vom Mitmachen und kann nicht von Verwaltungsseite aus verordnet werden. Entsprechend wichtig sind daher auch Maßnahmen, die den sozialen Zusammenhalt der Stadt stärken. Dazu zählt die Förderung einer vielfältigen Vereinslandschaft genauso, wie attraktive Angebote für alle Alters- und Gesellschaftsgruppen, multikulturelle Integration und politische Partizipation.
Gemeinsam Ziele erreichen, das ist auch der Grundgedanke der Citàslow. Daher bildet das Thema Partnerschaften einen eigenständigen Punkt im Kriterienkatalog der Bewegung. Die entschleunigte Stadt ist daher auch aufgefordert, sich nicht zu isolieren, sondern durch Städtepartnerschaften und -freundschaften international zu vernetzen und mit Organisationen zusammenzuarbeiten, die sich für ähnliche Ziele einsetzen. Um generell den Cittàslow-Gedanken weiterzutragen und ins Gespräch zu bringen, sind die Gemeinden außerdem aufgefordert, sich an entsprechenden Kampagnen und Aktionen zu beteiligen.
Entschleunigung ist auch ein Finanzthema
Die Prinzipien der Cittàslow sind Weg und Ziel gleichermaßen. Weg von den Standardlösungen und der gedankenlosen Schnelllebigkeit, hin zu einer nachhaltig arbeitenden und lebenden Gemeinschaft. Eine Philosophie, die sich auch auf Geldanlagen übertragen lässt, denn auch in Sachen Finanzen zahlt es sich aus, individuelle Konzepte zu entwickeln und auf langfristige solide Erträge zu bauen.
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